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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.04.2023:

„Die Erinnerung wachhalten.“

Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)

Im Jahr 2000 wurde die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gegründet. Sie zahlt Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter*innen des nationalsozialistischen Regimes und hält die Erinnerung an das ihnen zugefügte Unrecht in verschiedenen Projekten wach. Das Förderprogramm „JUGEND erinnert“ ermöglicht jungen Menschen die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte an historischen Orten der NS-Verfolgung und -Vernichtung. Mit dem Förderprogramm „local.history“ unterstützt die Stiftung Geschichtsinitiativen aus Mittel- und Osteuropa.


Im Deutschen Reich mussten zwischen 1939 und 1945 über 13 Millionen Menschen unter oft unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. In den besetzten und kontrollierten Gebieten kamen weitere 13 Millionen Menschen dazu. Viele kamen dabei zu Tode. Die Zwangsarbeiter*innen, die überlebten, litten nach der Befreiung oft unter körperlichen und seelischen Beschwerden. Entschädigungsansprüche oder Lohnnachzahlungen gab es nicht. Das 1953 in Kraft getretene Bundesentschädigungsgesetz schloss im Ausland lebende sowie nicht rassistisch oder politisch Verfolgte von den Leistungen aus.

Gründung und Auftrag der Stiftung EVZ
Erst 1998 einigten sich die Fraktionen des Bundestags darauf, eine Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeit unter finanzieller Beteiligung der deutschen Wirtschaft einzurichten. Am 2. August 2000 wurde das Gesetz zur Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) verabschiedet. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft übernahmen gemeinsam politische und moralische Verantwortung für das Leid der Zwangsarbeiter*innen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes. Mit der Stiftung ermöglichen sie individuelle humanitäre Zahlungen und halten die Erinnerung an das den Zwangsarbeiter*innen zugefügte Unrecht für kommende Generationen wach. Das Vermögen der Stiftung mit Sitz in Berlin wurde von der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Insgesamt beteiligten sich rund 6.500 Firmen und Privatpersonen an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft.

Damit die Unrechttaten nationalsozialistischer Verfolgung nicht vergessen werden, fördert die Stiftung EVZ auch Programme und Projekte, die die Geschichte der NS-Zwangsarbeit erforschen. Mit ihnen hält sie die Erinnerung an die Schicksale der Verfolgten aufrecht, initiiert zeitgemäße Bildung zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen, setzt sich für gleiche Würde und gleiche Rechte aller Menschen und gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung ein. Vor dem Hintergrund ihrer Gründungsgeschichte ist sie besonders in Mittel- und Osteuropa, Israel und Deutschland aktiv.

Das Förderprogramm „JUGEND erinnert“

Das Förderprogramm „JUGEND erinnert“ ermöglicht jungen Menschen die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte. Im Mittelpunkt stehen das transnationale Lernen an historischen Orten der NS-Verfolgung und -Vernichtung sowie Fragen von europäischen Erinnerungskultur(en). Im Zeitraum 2020 bis 2022 sind mehrere Projekte gefördert worden. MAZEWA beispielsweise ist ein internationales Jugendprojekt, das junge Erwachsene für lokale Geschichte(n) begeistern und inklusive Lernorte schaffen möchte. Vergessene Orte jüdischen Lebens und des NS-Unrechts im Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland werden sichtbar und bewahrt. Das Projekt beinhaltet eine große Vielfalt an Themen wie jüdisches Leben, Holocaust, NS-„Euthanasie“ und sowjetische Kriegsgefangenschaft. Mittelpunkt ist der jüdische Friedhof in Zittau, eine Kleinstadt im Grenzgebiet zwischen den drei europäischen Ländern. In zwei Projekten haben sich junge Menschen aus ganz Europa einem der letzten authentischen historischen Orte jüdischen Lebens in der Region genähert und ihn als digitalen Lern- und Erinnerungsort entdeckt. Auch organisierten sie kulturelle Veranstaltungen zur jüdischen Regionalgeschichte und zum jüdischen Leben heute.

Weitere Projekte im Programm
Die Aufarbeitung und Vermittlung der Grausamkeit des Porajmos, des Völkermords an den europäischen Sinti*ze und Rom*nja während des Nationalsozialismus, ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Stiftung EVZ. Sie möchte der auch heute noch währenden Diskriminierung entgegenwirken und setzt sich mit dem Projekt „Aufarbeitung des Porajmos: Holocaust-Bildung an historischen Orten und online“ für Aufarbeitung und gegen Antiziganismus ein. Beteiligt an dem Projekt sind junge Menschen und Jugendorganisationen in zehn europäischen Ländern. Das Projekt baut auf dem digitalen „RomArchive“ über Künste und Kulturen von Sinti*ze und Rom*nja auf und entwickelt neue Formate und Methoden der Holocaust-Bildung an historischen Orten und online. Dadurch wird das Bewusstsein über den Porajmos geschärft und die Rolle von (Rom*nja-)Jugendorganisationen in Gedenkpraktiken und -debatten gestärkt. Das Serious Game zu Studierendenprotesten in der NS-Zeit „Train to Sachsenhausen“ wiederum thematisiert den Themenkomplex „Widerstand gegen den NS“. Es arbeitet mit historisch-archivalischen Materialien, einem biografisch-familiengeschichtlichen Ansatz und hat zum Ziel, eine deutliche Positionierung gegen Mechanismen der Ausgrenzung von Minderheiten bei den Spieler*innen zu befördern.
Das Förderprogramm „JUGEND erinnert“ wird in den Jahren 2023 bis 2025 aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

Erinnerungskultur schaffen
Daneben führt die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft noch viele weitere Programme und Projekte durch. Dazu gehören Begegnungen mit NS-Zeitzeug*innen als wichtiger Bestandteil zur Gestaltung einer Erinnerungskultur. Mit dem Förderprogramm „local.history“ unterstützt die Stiftung EVZ lokal und regional aktive Geschichtsinitiativen aus Mittel- und Osteuropa. In den geförderten Projekten setzen sich Akteur*innen über einen lokalen Bezug mit Orten, Personen und Ereignissen der nationalsozialistischen Geschichte und Verfolgung auseinander, beispielsweise der NS-Zwangsarbeit, der Verfolgung von Sinti*ze und Rom*nja, von Menschen mit Behinderung oder Widerstandskämpfer*innen. Unter dem Motto „#WatchOutHstry“ geht es im Jahr 2023 hauptsächlich um bisher weniger bekannte Geschehnisse, Orte und Opfer-Biografien, sogenannte Leerstellen in der Erinnerungskultur.

Außerdem unterstützt die Stiftung EVZ die vom Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld (IKG) herausgegebene Studie „MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor”. Mit der Studie wird erforscht, was, wie und wozu Bürger*innen in Deutschland historisch erinnern. Die MEMO-Jugendstudie 2023 ist die bisher umfangreichste Studie und adressiert die Zielgruppe junge Erwachsene als die zukünftigen Träger*innen von Erinnerungskultur. 63 Prozent von ihnen geben an, sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt zu haben.

 

 

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.04.2023
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